JOIDES Resolution, Position 0°68'S, 92°65'W, auf Fahrt gen Osten Richtung Galapagos-Inseln

18.2.2002, 4:20 Uhr



4. Bericht

Liebe Landratten,

den Bericht über die Äquatortaufe bin ich noch schuldig. Angefangen hat es mit einem Befehl zur Versammlung aller Ungetauften (Pollywogs, Kaulquappen) auf dem Deck vor der Brücke am Freitag um 13 Uhr. Wir hatten dazu die Kleidung auf links zu tragen. Dort wurde uns und dem Kapitän dann feierlich verkündet, dass am nächsten Morgen um sechs Uhr Neptun persönlich sich einfinden werde, um nachzusehen, welche Neulinge sich in sein Reich wagen wollten. Als Vorgeschmack wurden wir (etwa zwanzig Pollywogs) erst einmal mit Wasser ordentlich nassgespritzt (Meine Kamera hatte ich zuvor jemand auf der Brücke gegeben).

Im Laufe des Tages konnte man dann beobachten, wie ein Deck für die Feierlichkeiten hergerichtet wurde. Ein großer Bottich wurde mit Schlamm und einigen Zutaten angerührt. Zum Glück hatte der Bordarzt dafür gesorgt, dass das schwarze Wasser, in dem die gefangenen Tintenfische gehältert worden waren, weggegossen wurde. Das fing nämlich schon an, streng zu riechen. Es gingen allerlei Gerüchte, was uns bevorstehen könnte. So gab es Berichte von früheren Äquatatorquerungen, bei denen Unmengen von ungenießbarem Jogurt verzehrt werden mussten.

Um sechs Uhr morgens hatten sich dann die meisten versammelt, in leichter Kleidung, natürlich auf links. Wer fehlte, wurde aus dem Bett gezerrt. Nur ganz wenige weigerten sich erfolgreich teilzunehmen. Der Sheriff ging schon einmal umher und zerschlug diesem oder jenem ein Ei auf dem Kopf oder malte ihn mit Lippenstift an. Mir wurde die Blöße meines Hauptes mit Erdnussbutter bedeckt. Dann fragte er mit eigenartigem Unterton in der Stimme, ob wir hungrig wären, und obwohl die Messe vorher gesperrt gewesen war, waren wir es lieber nicht. Es ging dann über ein Außendeck, auf dem wir mit Wasserbomben (gefüllte Luftballons) beworfen wurden, in den Versammlungssraum. Dort kamen dann Neptun samt Gemahlin, Baby, königlichem Barbier, Seekuh und Gerichtsdiener, natürlich alle skurril aber zünftig bekleidet.

Es wurde feierlich zu Gericht gesessen. Jeder wurde eines Vergehens für schuldig befunden, in meinem Falle war es die Zugehörigkeit zur "deutschen Mikrobiologie-Mafia". Wir sollten Neptun beleidigt haben, dadurch dass wir behaupten, dass es im Boden seines Reiches Bakterien gibt. Vier wurden an den königlichen Barbier verwiesen - in zwei Monaten wird man von dessen radikalem Wirken wohl nicht mehr viel sehen.

Schließlich wurde jeder mit verbundenen Augen abgeführt auf das vorbereitete Deck. Dort gab es zunächt einen Eimer Eiswasser über dann Kopf, dann einen wenig appetitlichen Kuss von Neptuns Baby, anschließend wurde man auf einem Stuhl der auf einem Rüttler montiert war durchgeschüttelt und schließlich in das besagte Schlammbecken getaucht. Da man die Augen verbunden hatte, sah es wahrscheinlich von außen heftiger aus als man es selbst empfunden hat. Immerhin gab es direkt daneben einen Schlauch zum Duschen, essen mussten wir nichts und geteert und gefedert wie in früheren Jahrhunderten wurden wir auch nicht.

Nun bin ich vom Pollywog zum Shellback (Schildkröte) geworden, werde einen Ausweis darüber erhalten und nie wieder die Prozedur mitmachen müssen.

Was tut sich sonst? Wir sind immer noch auf dem Transit zur zweiten Station. Der Bericht über die erste Station ist geschrieben, die Probenahme der zweiten wird vorbereitet. Das Wetter ist klarer und heiß geworden. Wir haben schon zwei Zeitzonen Richtung Osten durchfahren und sind wohl nur noch sieben Stunden gegenüber Mitteleuropa verspätet. Wir werden nun doch die Galapagos-Inseln anlaufen, um einem Schiffsoffizier die Möglichkeit zu geben zu seiner Familie zu gelangen, nachdem dort ein tragischer Todesfall zu beklagen ist.

Ich muss noch einmal betonen, dass es mir nicht gestattet ist, hier über wissenschaftliche Ergebnisse der Fahrt zu berichten. Dies darf nur offiziell im Rahmen des Ocean Drilling Programms erfolgen. Alle Mitfahrer sind im ersten Jahr nach der Fahrt stets als Co-Autoren zu nennen. Schließlich profitieren wir alle von der gemeinsamen Arbeit und wechseln uns in den Schichten mit der Arbeit ab. Auch zu wissenschaftlichen Tagungen darf man nur Kurzfassungen einreichen, wenn die von allen betroffenen Wissenschaftlern an Bord genehmigt sind.

So viel für heute - viele Grüße aus dem Süden

Shellback Heribert