JOIDES Resolution, Position 8°59' S, 79°54' W, auf der 3. Station, 2.3.2002, 10:25 Uhr



7. Bericht

Ihr Lieben,

da wir mal wieder auf einen Sedimentkern warten müssen, beginne ich einen Bericht über das Leben auf der JOIDES Resolution. Nun sind wir schon über einen Monat unterwegs - uns kommt es vor wie mehrere - aber es ist gerade mal die Hälfte herum. Man hat sich in der engen Welt hier eingerichtet. Tatsächlich gibt es mehrere Welten, Gruppen und Verantwortungsbereiche auf dem Schiff. Küchen- und Wäscherei-Personal werden von einer Catering-Firma gestellt. Die Leute sind sehr nett, verstehen aber fast kein Englisch. Dafür ist der Service erstklassig. Man braucht eigentlich nur einen Satz Wäsche. Wenn ich zu Bett gehe (um halb fünf nachmittags) lege ich meinen Wäschesack vor die Tür. Sieben Stunden später liegt alles gewaschen und gebügelt wieder da. Das Verfahren ist allerdings nicht sehr schonend, weshalb man bei diesem oder jenem schon mal ein Loch sieht. Aber Mode spielt hier ohnehin keine Rolle. Auch wenn mal was defekt sein sollte, eine Brille, Dusche oder ein Gerät im Gymnastikraum, spätestens zur nächsten Schicht funktioniert es wieder. Die beeindruckendste Gruppe bilden natürlich die Bohrarbeiter. Die meisten stammen wohl aus Asien, worauf man auch beim Essensangebot Rücksicht nimmt. Sie leisten sowohl Schwerarbeit als auch turnersiche Höchstleistungen, wenn sie sich zu Reparaturen am Seil schwingend an den Bohrgeräten entlang bewegen. Manchmal ist es erstaunlich, wie gut alles funktioniert. Jeder Bereich zieht nämlich irgendwelche Grenzen oder stellt Forderungen. Wenn die Wissenschaftler sagen, sie möchten mit der schonendsten Technik arbeiten, sagen halt die Bohr-Leute, was geht und was nicht. Der Motoren-Chef ist ein Schotte und ebenfalls König in seinem Reich (das Schiff arbeitet mit riesigen Dieselgeneratoren, die Strom für die vielen Motoren für Antrieb, Stabilisierung und Bohrgerät liefern. Auch Trinkwasser stellen wir selber her). Das wissenschaftlich-technische Personal ist mit der Bedienung zahlreicher Messgeräte voll ausgelastet. Meine Pipetten stopfe ich mir natürlich wie zu alten Zeiten selbst mit Watte, genauso wie ich die Plastikspritzen für die Probenahme wasche und autoklaviere. Der Kapitän ist übrigens ein von Wind und Wetter gegerbter Texaner, der sich anfangs den Wissenschaftlern kurz vorgestellt hat, aber froh war, als er das Wort nach zwei Minuten an seine Offiziere abgeben konnte.

Das Aufstehen um halb zwölf abends für die Nachtschicht fällt immer noch sehr schwer. Aber man weiß, was einen etwa erwartet. Tatsächlich haben sich auf dieser Station die Zahl der Proben und der Takt noch einmal erhöht. Hinzu kommt, dass die Kerne sehr viel Schwefelwasserstoff enthalten. Deswegen werden die Sektionen (draußen in der frischen Luft) unter Gasmasken gemacht. Wir allerdings, die im geschlossenen Kühlraum viele kleine Schnitte setzen, haben lediglich Meßgeräte, die die Belastung registrieren und gegebenenfalls Alarm geben.

Dass wir schon länger unterwegs sind, merkt man natürlich auch beim Essen. Die Köche geben sich wirklich Mühe. Aber die einzigen frischen Nahrungsmittel an Bord sind Tintenfisch (von dem auf der letzten Station riesige Exemplare gefangen wurden) Jogurt (täglich frisch - aus H-Milch) und eine immer gleiche Sorte Weißbrot. Tatsächlich gibt es immer noch Blattsalat, aber meist werden nur kleine Stücke davon gemischt mit anderen Zutaten angeboten. Dafür sind die Kiwis sehr lecker, die gibt es nämlich in Deutschland meist in unreifem Zustand. Manchmal kann man sich wundern: Letzte Woche gab es plötzlich taufrische Weintrauben, süß und knackig! Ansonsten hat man sich an das Angebot gewöhnt. Man kennt den Geschmack von vielem. Ich esse nicht mehr immer von allem etwas und habe bestimmt nicht zugenommen.

Am Donnerstag vor zwei Tagen hatten wir zwei Höhepunkte zu verzeichnen. Wir näherten uns der südamerikanischen Küste so etwa auf 100 Kilometer. Es kamen die ersten Fischerboote in Sicht (noch nicht die Anden). Da tauchte am Horizont ein rotes Forschungsschiff auf - die 'Sonne' aus Deutschland, mit der einige an Bord letztes Jahr noch in dieser Gegend gefahren waren. Einer bemerkte: Die haben wenigstens Bier an Bord. Es gab ein Telefongespräch zwischen den Brücken beider Schiffe. Aber dann drehten wir schon zu unserer Station ab.

Am Nachmittag hatten wir dann zunächst auf das 'Rendevouz' zu warten. Der Beobachter aus Ecuador verließ das Schiff und eine Nachfolgerin aus Peru kam an Bord; außerdem Leute, die ein neues Bohrverfahren testen wollen. Leider kam aber nicht ein Schiff sondern ein Hubschrauber. Die Landung auf dem Landeplatz am Heck wurde von vielen verfolgt. Der Besuch brachte 5000 neue Gummistopfen für die Probenspritzen aber nicht eine einzige Kiste Obst oder Gemüse mit - man sieht, was hier wichtig ist.

Bei den Stationen wird es nun Schlag auf Schlag gehen. Wieder einmal wurden die Zahl der Proben und die Frequenz erhöht. Das Wasser ist hier nur noch 400 m tief, und es ist grünlich und viel produktiver als im offenen Ozean. Mal sehen, wann ich wieder Zeit finden werde für einen Bericht.

Bis dahin viele liebe Grüße

Heribert