JOIDES Resolution, Position 12°01' S, 89°54' W, auf der siebten und letzten Station

Do, 21.3.2002, 5:15 Uhr



9. Bericht

Ihr Lieben,

die sechste Station (9° 7' S, 80° 35' W) war noch einmal sehr aufwendig. Es handelte sich um eine Methanhydrat-haltiges Sediment unter mehr als 5000 m Wasser. Wasser und Sediment sind dort unten eiskalt. Wegen der hohen Produktivität gibt es aber in den Sedimenten viel Methan. Die Plastikrohre um die Kerne mussten angebohrt werden, um Druck abzulassen und ein Zerplatzen zu vermeiden. Aus den Bohrlöcher quollen dann Sedimentwürstchen heraus oder es entwich zischend Methan. Tatsächlich haben wir auch einige Methanhydrat-Schichten gefunden. Sie sahen aus wie schmutziges Eis und lösten sich - ohne den gewohnten Druck und die niedrige Temperatur - unter Bläschenbildung auf. Wenn man sieht, wie mühsam wir die Proben gewonnen haben, kann man sich kaum vorstellen, dass Methanhydrat der Energieträger der Zukunft werden soll, von den Risiken einer Methanfreisetzung in die Atmosphäre ganz zu schweigen.

Nach einem Tag fahrt in den Süden sind wir dann an unsere letzte Station gekommen, an der der Ozean ebenfalls etwa 5000 m tief ist. Während aber an der letzten Station Sulfat bereits nach 10 m verbraucht war und darunter reichlich Methan vorhanden war, ist hier Sulfat 100 m tief im Sediment immer noch bei Meerwasserkonzentration. Es handelt sich also um einen produktionsarmen Standort, typisch für große Teile der Ozeane. Auch wenn die Sedimente viele Millionen Jahre alt sind und es sensationell wäre, hier lebende Bakterienpopulationen nachzuweisen, ist wegen der fehlenden Gradienten das Probenehmen nicht mehr ganz so spannend. Außerdem kommt so langsam noch etwas anderes in unsere Köpfe...

Chile und Valparaiso. Vieles deutet auf eine Ende der Reise, wo doch jetzt alles perfekt organisiert ist, und wir uns ziemlich an das Arbeiten und Leben und Klosterbedingungen gewöhnt haben. Die Gespräche bekommen neue Themen. Die Gedanken entkommen immer öfter der engen Welt des Schiffs. Da kann man schon mal beobachten, wie ein sehnsüchtiger Forscher am Farblaserdrucker ein Foto von Frau und Kindern ausdruckt.

Der Logo-Wettbewerb ist entschieden. Die offiziellen T-Shirts werden Neptun mit Gasmaske und Dreizack zeigen, der von unten von einem Tintenfisch angegriffen wird. Dazu: 'Deep Biosphere fights back.' Die großen Tintenfische haben die Leute an Bord am meisten beeindruckt. Der Mikrobiologen-Entwurf, eine Blick von unten auf das Schiff mit all den verschiedenen Bakterien und Prozessen in lustiger Manier (und mit einem kleineren Tintenfisch) hat den zweiten Preis gewonnen. Die vielen nicht-wissenschaftlichen Mitfahrer waren von den Bakterien weniger berührt. Schließlich gibt es erst wenige sichtbar gewachsene Kulturen an Bord, und all die DNA-Proben werden erst später analysiert werden.

Sozusagen Pflicht ist die Teilnahme an einem Wettspiel, bei dem es darum geht, die genaue Minute zu tippen, zu der der Lotse bei der Ankunft in Valparaiso an Bord kommen wird - ein Moment, den man ohnehin nicht vergessen wird. Aber danach werden wir noch viele Stunden auf dem Schiff bleiben müssen, bis alle Formalitäten erledigt sind.

Vor der Ankunft bleibt noch viel zu tun, auch wenn dafür fünf Tage Zeit auf 2000 km Fahrt in den Süden bleiben. (Die lange Fahrt ist nötig, da die anschließende Fahrt noch weiter in den Süden gehen wird.) Alle Proben müssen reisefertig gemacht werden. Es gibt gefrorene, gekühlte, radioaktive und ohne besondere Vorkehrungen zu versendende Pakete, insgesamt mehr als je bei allen 200 Fahrten zuvor. Alle Pakete werden getrennt verschickt und müssen vollständige Inhaltsangaben für den Zoll enthalten. Auch die Exkursionskisten müssen auf den Weg nach Hause gebracht werden. Dann gibt es natürlich noch die Abschlussberichte für den wissenschaftlichen 'Initial Report' der in wenigen Wochen veröffentlicht wird.

Da aber bisher das Programm ohne jede technische Störung verlaufen ist, besteht eine gewisse Hoffnung, dass wir vielleicht doch schon am Ostersonntag an Land gehen können. Und dann kommen wir zurück in den Frühling, während auf der Südhalbkugel der Herbst beginnt.

Die Forschungsfahrt 201 des ODP-Programms wird sicher in der wissenschaftlichen Literatur berühmt werden und angesichts der seltenen Möglichkeiten zur aseptischen Probenahme aus derartig alten Sedimenten vielleicht auch darüber hinaus von sich reden machen, wenn einmal alle Analysen und die daraus entstehenden Diplom- und Doktorarbeiten abgeschlossen sein werden.

Ahoi

Euer Heribert